Kinder als Radfahrer

Zuerst wer­den die Kids auf dem Fahr­rad mit­ge­nom­men, im Kin­der­sitz oder im Hän­ger. Doch bald wol­len sie sel­ber fah­ren. Kin­der lie­ben das Rad. Wie kön­nen die Unfall­ri­si­ken für Kin­der auf dem Rad mini­miert werden?

Klei­ne Kin­der ver­un­glü­cken vor allem als Mit­fah­rer im Pkw. Eini­ge Jah­re spä­ter, mit sechs bis acht Jah­ren, sind sie vor allem als Fuß­gän­ger gefähr­det. Sie erkun­den neue Umge­bun­gen, sind häu­fi­ger im Stra­ßen­ver­kehr unter­wegs und tref­fen dort auf unbe­kann­te Risi­ken. Mit zuneh­men­dem Alter wird das Fahr­rad, zunächst als Spiel­zeug, dann als Ver­kehrs­mit­tel immer bedeu­ten­der, und damit steigt auch die Zahl der Fahrradunfälle.

Bevor Kin­der im Stra­ßen­ver­kehr mit ihrem Fahr­rad unter­wegs sind, brau­chen sie eine gute Vor­be­rei­tung. In ers­ter Linie sind die Eltern hier­für ver­ant­wort­lich. Müt­ter und Väter müs­sen für die­se Auf­ga­be aber ent­spre­chend infor­miert sein. Das seit bei­na­he 30 Jah­ren bun­des­weit ange­bo­te­ne Pro­gramm “Kind und Ver­kehr” des DVR und sei­ner Mit­glie­der beinhal­tet ein Eltern­bil­dungs­pro­gramm mit mehr als 7.000 Ver­an­stal­tun­gen pro Jahr.

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Unter­stützt wird die­ses Pro­gramm seit Anbe­ginn vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ver­kehr, Bau- und Woh­nungs­we­sen. Das The­ma “Rad­fah­ren” ist ein wich­ti­ges The­ma im “Kind und Verkehr”-Programm. Eltern ler­nen die ent­wick­lungs­be­ding­ten Leis­tungs­gren­zen ihrer Kin­der hin­sicht­lich der Ver­kehrs­teil­nah­me ken­nen. Sie ler­nen die­ses Wis­sen für die all­täg­li­che Ver­kehrs­er­zie­hung nutz­bar zu machen. Die Mode­ra­to­ren – der­zeit ca. 800 – erreich­ten bis­lang über vier Mil­lio­nen Eltern. Das Pro­gramm wird kon­ti­nu­ier­lich immer wie­der neu­en wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen und sozia­len Gege­ben­hei­ten angepasst.

Eine in die­sem Jahr ver­öf­fent­lich­te Unter­su­chung an Schu­len, bei der Kin­der und Eltern befragt wur­den, hat erge­ben, dass Rad­fah­ren als attrak­tiv und gleich­zei­tig als gefähr­lich ange­se­hen wird. Die Risi­ken wur­den beson­ders von den Kin­dern und Eltern in Ost­deutsch­land her­vor­ge­ho­ben. “Gera­de in den Städ­ten in Ost­deutsch­land sind die Bedin­gun­gen für das Rad­fah­ren noch sehr ver­bes­se­rungs­be­dürf­tig”, sagt Ver­kehrs­exper­te Prof. Bern­hard Schlag von der Uni Dresden.

Auch nach einer neu­en Befra­gung des Insti­tuts Woh­nen und Umwelt in Darm­stadt haben Kin­der eine “enorm posi­ti­ve Ein­stel­lung zum Rad fah­ren”. Dabei gibt es kaum einen Unter­schied zwi­schen Mäd­chen und Jun­gen. Bei der Ver­kehrs­mit­tel­wahl steht das Fahr­rad an ers­ter Stel­le. “Wenn sie erwach­sen sind, wol­len sie aller­dings sehr viel Auto fah­ren”, fasst Dr. Ant­je Fla­de vom Insti­tut die Ergeb­nis­se zusammen.

Entwicklung nicht im gleichen Tempo

Bei den Rad­fah­rer­un­fäl­len der Kin­der wird etwa die Hälf­te durch betei­lig­te Auto­fah­rer ver­ur­sacht, die ande­re Hälf­te durch das Kind selbst. Ver­ur­sa­chen Kin­der einen Unfall, hängt dies in der Regel mit ihren noch nicht aus­rei­chend vor­han­de­nen kör­per­li­chen und geis­ti­gen Fähig­kei­ten zusam­men. “Kin­der auf dem Fahr­rad sind durch die Kom­ple­xi­tät des Ver­kehrs­ge­sche­hens über­for­dert, sie reagie­ren zu lang­sam und sie kon­zen­trie­ren sich nicht aus­rei­chend auf den Ver­kehr”, so Maria Lim­bourg von der Uni­ver­si­tät Essen.

Bei den durch Kin­der selbst ver­ur­sach­ten Rad­fahr­un­fäl­len ste­hen die “Feh­ler beim Ein- und Anfah­ren, beim Abbie­gen und beim Wen­den” mit 30 % an ers­ter Stel­le. Danach fol­gen fal­sche Stra­ßen­be­nut­zung mit 25% und Vor­fahrt­miss­ach­tung mit 20%. Die­se Unfall­ar­ten deu­ten auf die ent­wick­lungs­be­ding­ten Ein­schrän­kun­gen bei den Kin­dern hin, so Limbourg.

Im Lau­fe ihrer Ent­wick­lung müs­sen die Kin­der erst die Fähig­keit zum siche­ren Rad­fah­ren im moder­nen Stra­ßen­ver­kehr ent­wi­ckeln. Die Ent­wick­lungs­pha­sen sind stark vom Alter abhän­gig. Doch die Ent­wick­lung fin­det bei den ein­zel­nen Kin­dern nicht im glei­chen Tem­po statt, es gibt gro­ße indi­vi­du­el­le Schwankungen.

Eltern las­sen sich oft von den Fahr­küns­ten ihrer Kin­der in einem Park oder ande­rem ver­kehrs­frei­en Gelän­de täu­schen. Doch bereits auf dem Bür­ger­steig kom­men ganz ande­re Anfor­de­run­gen auf das radeln­de Kind zu.

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Sol­che Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­run­gen las­sen sich ganz beson­ders häu­fig in Bal­lungs­ge­bie­ten mit viel Ver­kehr und wenig Frei­raum für Kin­der beob­ach­ten. Kin­der wer­den unter die­sen Bedin­gun­gen häu­fig mit dem Auto zum Kin­der­gar­ten, zur Schu­le oder zum Sport­platz gefah­ren. Dar­über hin­aus beschränkt sich ihr Lebens­be­reich auf ihre Woh­nung. Dort sit­zen sie häu­fig vor dem Fern­se­her oder beschäf­ti­gen sich mit Com­pu­ter­spie­len. Bis zu ihrem sieb­ten Geburts­tag dür­fen Kin­der auf dem Fahr­rad mit­ge­nom­men wer­den. Die Bun­des­an­stalt für Stra­ßen­we­sen ist in einer Unter­su­chung der Fra­ge nach­ge­gan­gen, wel­che Trans­port­mög­lich­keit für die Kin­der die bes­se­re ist, im Kin­der­an­hän­ger oder auf dem Fahr­rad? Da nur eine gerin­ge Anzahl von Ver­su­chen mit Fahr­rad­kin­der­sit­zen durch­ge­führt wer­den konn­te, gibt es kei­ne ein­deu­ti­ge Ant­wort. Die Ergeb­nis­se der vor­lie­gen­den Unter­su­chung zei­gen jedoch ten­den­zi­ell, dass der Trans­port im Fahr­rad­an­hän­ger als weni­ger gefähr­lich zu bewer­ten ist.

Eine gefähr­li­che Situa­ti­on im Stra­ßen­ver­kehr früh­zei­tig zu erken­nen und dar­auf rich­tig zu reagie­ren, wird von den Kin­dern erst all­mäh­lich gelernt. Bis zum Alter von fünf oder sechs Jah­ren haben Kin­der nur ein aku­tes Gefah­ren­be­wusst­sein. Sie bemer­ken die Gefahr erst, wenn sie bereits akut gefähr­det sind. Mit etwa acht Jah­ren hat sich ein vor­aus­schau­en­des Gefah­ren­be­wusst­sein ent­wi­ckelt. Nun kön­nen Kin­der Gefah­ren vor­aus­se­hen, wis­sen, durch wel­che Ver­hal­tens­wei­sen sie in Gefahr geraten.

Mit etwa zehn Jah­ren haben sie dann ein Prä­ven­ti­ons­be­wusst­sein aus­ge­bil­det. Jetzt sind sie in der Lage, auf unge­wohn­te Situa­tio­nen, wie den Aus­fall einer Fuß­gän­ger­am­pel, ange­mes­sen zu reagieren.

Eigene Gedanken und Gefühle

Neben der Gefah­ren­wahr­neh­mung muss auch die Auf­merk­sam­keits­leis­tung des Kin­des ent­wi­ckelt sein, damit es sich im Stra­ßen­ver­kehr bewe­gen kann. “Abge­lenkt sein” ist eine der häu­figs­ten Ursa­chen von Ver­kehrs­un­fäl­len im Kin­des­al­ter. Kin­der rich­ten ihre Auf­merk­sam­keit häu­fig auf Din­ge außer­halb des Ver­kehrs­ge­sche­hens. Die Ent­wick­lung der Auf­merk­sam­keit und der Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit ist erst im Alter von etwa 14 Jah­ren voll­stän­dig abge­schlos­sen. Kin­der haben auch Schwie­rig­kei­ten, die Ent­fer­nung und Geschwin­dig­keit her­an­na­hen­der Fahr­zeu­ge zuver­läs­sig ein­zu­schät­zen. Erst im Alter von acht bis neun Jah­ren gelingt es ihnen, Ent­fer­nun­gen rich­tig zu bewer­ten. Noch ein bis zwei Jah­re län­ger brau­chen Kin­der in ihrer Ent­wick­lung, um Geschwin­dig­kei­ten rich­tig einzuschätzen.

Die Fähig­keit, sich als Rad­fah­rer moto­risch sicher zu ver­hal­ten, ist im Vor­schul­al­ter nur sehr unge­nü­gend aus­ge­prägt. Erst im Alter von sie­ben bis acht Jah­ren sind Kin­der in der Lage, das Gleich­ge­wicht zu hal­ten, das Auf- und Abstei­gen zu beherr­schen sowie rich­tig zu brem­sen, zu len­ken und Hand­zei­chen zu geben.

Gro­ße Schwie­rig­kei­ten bekom­men Kin­der, wenn Mehr­fach­hand­lun­gen gefragt sind: Tre­ten, Len­ken, Balan­ce hal­ten, in der Spur blei­ben – und gleich­zei­tig auf ande­re Ver­kehrs­teil­neh­mer ach­ten. Das über­for­dert sie. Auch die­se Grund­vor­aus­set­zun­gen für das Rad­fah­ren ent­wi­ckeln sich erst nach und nach.

Helme mindern Aufprallkräfte

Wegen der noch nicht voll ent­wi­ckel­ten Fähig­kei­ten der Kin­der hat der Gesetz­ge­ber fest­ge­legt, dass Kin­der bis zum ach­ten Geburts­tag mit Fahr­rä­dern Geh­we­ge benut­zen müs­sen. Bis zum zehn­ten Geburts­tag dür­fen sie dann noch auf Geh­we­gen fahren.

Beim Über­que­ren einer Fahr­bahn müs­sen sie vor dem Bord­stein anhal­ten, abstei­gen und ihr Rad über die Fahr­bahn schie­ben. Denn die­se Stel­len sind die unfall­träch­tigs­ten, auch für erwach­se­ne Radfahrer.

Für Kin­der ist es beson­ders wich­tig, einen Helm zu tra­gen. Denn bei den Unfäl­len mit dem Fahr­rad kommt es häu­fig zu schwe­ren Kopfverletzungen.

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Fahr­rad­hel­me kön­nen die­se emp­find­li­che Stel­le des Kin­des schüt­zen und die Auf­prall­kräf­te abmil­dern. Doch viel zu weni­ge Kin­der tra­gen einen Fahr­rad­helm. Nur 37 % der Kin­der bis zehn Jah­re set­zen den Helm auf. Wenn sie älter wer­den, las­sen fast alle Kin­der den Helm links lie­gen, gan­ze 8 % schüt­zen sich mit einem Helm. Doch gera­de die älte­ren Kin­der sind auf dem Rad beson­ders gefährdet.

Neben den Fähig­kei­ten, ein Fahr­rad sicher zu bewe­gen und den Stra­ßen­ver­kehr ange­mes­sen wahr­zu­neh­men, benö­ti­gen die jun­gen Rad­fah­rer auch Regel­kennt­nis­se und Ver­ständ­nis für Ver­kehrs­si­tua­tio­nen. Ver­kehrspäd­ago­gen raten daher, dass Kin­der frü­hes­tens nach bestan­de­ner Rad­fahr­aus­bil­dung im vier­ten Schul­jahr allein mit dem Rad im Stra­ßen­ver­kehr fah­ren soll­ten. Aber die Rad­fah­rer­aus­bil­dung gibt kei­ne Gewähr für siche­res Fah­ren und ersetzt auch kein Üben.

Ins­ge­samt sind Kin­der mit dem Fahr­rad deut­lich stär­ker gefähr­det als Erwach­se­ne. Kin­der ver­un­glü­cken umso häu­fi­ger, je mehr Ver­kehr auf einer Stra­ße herrscht und je schnel­ler gefah­ren wird. Auch der Sicht­kon­takt zwi­schen Kraft­fah­rern und Kin­dern spielt eine ent­schei­den­de Rol­le. Der DVR emp­fiehlt, ein Kind so spät wie mög­lich mit dem Rad in den Ver­kehr zu las­sen. Bes­ser ist zunächst ein Roller.

Quel­le: Deut­scher Verkehrssicherheitsrat
www​.dvr​.de

Eine Bro­schü­re zum The­ma Fahr­rad­helm ist erhält­lich bei der Bun­des­an­stalt für Stra­ßen­we­sen (bast):
www​.bast​.de
(Veröffentlichungen/​Broschüren und Faltblätter/​Sicherheitsinfo Nr. 10)

Spe­zi­ell an 11 bis 14jährige Fahr­rad­fah­rer und an deren Eltern rich­tet sich ein Ange­bot des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Bil­dung und For­schung. Sechs LERNTOUREN „Mit dem Fahr­rad durchs Netz“ war­ten mit Spie­len, Infos und Tipps, Test­auf­ga­ben, Fra­gen zum Nach­den­ken und Vor­schlä­gen zum Erkun­den und For­schen im Stra­ßen­ver­kehr. Denn Fahr­rad wird nicht im Inter­net, son­dern drau­ßen im Stra­ßen­ver­kehr gefah­ren. Ein Hin­weis noch: Für die LERNTOUREN wird der Macro­me­dia Flash Play­er ab Ver­si­on 6.0 benö­tigt. Der Play­er kann bei Macro­me­dia her­un­ter­ge­la­den werden.

www​.bei​ki​.de